Land 38/40: Österreich, Teil 1: die Bundesländer meiner Berufung

Da bin i her, da gher i hi… das dachte ich 2012, als ich nach 12 Jahren im inner- und außerösterreichischen Ausland zurück nach Wels kehrte. Der Grund – eine beendete Beziehung, eine berufliche Neuorientierung, der Tod meines Opis zusammen mit einer in 50-60 Arbeitsstunden unterdrückten Sehnsucht nach ZUHAUSE.



Da bin i her, da gher i hi… Ich hatte wunderbare, lustige, intensive und spannende Zeiten sowohl in Hamburg, als auch in Zürich – zwei Städten in fremden Ländern, die ich für ca. jeweils 2 Jahre als meine Heimat bezeichnet habe.


Hamburg: mondän, tolerant, eine Mischung aus Seefahrer-Tradition und Großstadtmoderne. Ich liebte das idyllische portugiesische Viertel und die futuristische Hafencity, hatte internationale Freunde und eine gute Zeit. Work hard, play hard. Als ich dann bei einem Jahresbeurteilungsgespräch als Feedback bekam „So nett wie du bist, wirst du es hier zu nichts bringen“, wusste ich, die Zeit war gekommen, meine Segel zu setzen.


Nach einem kurzen Zwischenstopp in meinem geliebten Innsbruck, landete ich berufsbedingt (ebenso wie in Hamburg, als Folge, dass die österreichische Niederlassung des Marketing eines Konzerns geschlossen und in Deutschland integriert wurde) in Zürich, das ich aus privaten Gründen wählte. Mein damaliger Partner war nach unserer gemeinsamen Zeit in Hamburg in seine Heimat zurückgekehrt und da ich nicht noch einmal mit der Firma nach Deutschland gehen wollte und die Fernbeziehung auch als sehr mühsam empfand, bewarb ich mich in der Schweiz. Von meiner Schweizer Reisefreundin beherrschte ich die zungenakrobatische Sprache fließend und wurde ich herzlich aufgenommen. Die Clique meines damaligen Partners kannte ich zu der Zeit auch bereits 2 Jahre. Mein Job: ein Volltreffer in internationalem Umfeld mit motivierten jungen Menschen aus der ganzen Welt. Ich arbeitete noch härter (in der Schweiz ist auch Freitag ein voller Tag, woran ich mich nie gewöhnen konnte). So kam ich täglich erst um 20:30 Uhr nach Hause. Die Wochenenden: eine Rekordjagd auf den Skipisten während der gesamten Wintersaison.

Ich wurde unglücklich, was ich erst sehr spät merkte. Ein Leistungsleben 24/7 – nichts mehr mit den Wiener 4h-Brunch-Sessions am Sonntag, die ich in meinem 1. Job so geliebt hatte. Ein Tag raus in die Natur, ein Tag geselliges Genießen – so sieht mein perfektes Wochenende aus. In der Schweiz gab es schon 2011 bei den Saisonkarten die komplette Statistik von Liftanzahl, Höhenmetern… Mittagessen dagegen erst es kurz vorm Kollabieren. Vom Skifahren gings ins Après Ski und dann nach Hause, über die Tankstelle zum Essen Einkaufen und rein in das Arbeitshamsterrad. Ich stieg aus. Kündigte, ließ mich verlassen, datete einen Österreicher um festzustellen: Da bin i her, da gher i hi…


HEIMAT ist, wo dein Herz ist

Und so kam es, dass ich 2012, nach 12 Jahren und 4 Umzügen wieder in Wels landete. Ich hatte in den knapp 16 Monaten Arbeitszeit in der Schweiz mehr verdient als in den ersten 4 Jahren meiner Berufstätigkeit zusammen und wollte mir eine kurze Auszeit gönnen. Überlegen, wo es hin gehen soll. Wortwörtlich wollte ich mit einer Heimat-Durchquerung von Wien bis Vorarlberg Schritt für Schritt langsam ankommen, aber es kam anders. Ich fand DEN perfekten Job vor meiner Haustür, bekam ihn, weil ich ihn nicht bettelnd benötigte und lernte den kleinstädterischen 19:00 Uhr-langer Arbeitstag- und Freitag-14 UhrWochenend-Modus kennen und schätzen. Bis ich meinen 17 Tage Trekking-Urlaub antrat, den ich mir bei Jobzusage ausverhandelt hatte – und der mein Leistungs-Weltbild komplett zerstörte. Aber das ist eine andere Geschichte, die erst 3 Jahre später ihr 1. Kapitel schreiben sollte.



Vorerst möchte ich über die ersten 3 Bundesländer schreiben, die meine berufliche Vergangenheit geprägt haben: Oberösterreich, Tirol und Wien.


1. OBERÖSTERREICH

Mei Oberöstreich han i gern: JA. Die Wurzeln sitzen tief, auch wenn ich meine Äste 12 Jahre in die Ferne ausgestreckt hatte.

Nach 8 Jahren zurück in meiner Geburtstadt Wös habe ich 2020 nun gesamt 28 von fast 40 Lebensjahren hier verbracht. Ich liebe Schnapsen (wobei auch Watten und Jassen :-)), Hascheeknödel und Kartoffelkäse, Gerichte, die schon in anderen Bundesländern für Unverständnis sorgen :-).

Apropos Nahrungsmittel: durch meine Tätigkeit in internationalen Konzernen habe ich folgendes erfahren, was mein Wel(s)tbild für kurze Zeit sehr zerrüttete. Wels ist neben Klagenfurt die durchschnittlichste sprich repräsentativste Stadt von Österreich in Bezug auf Bevölkerung, Einkommen und andere demographische Faktoren. Und, daher werden Produkte (z.B. aus dem Lebensmittelbereich) vorerst in Wels getestet, bevor man sie in ganz Österreich ausrollt. Eigentlich ja ein Privileg. Aber als ich lernte, dass dazu das Fernsehprogramm und Radio und Anzeigen für Wels anders aussehen als in ganz Rest-Österreich, fühlte ich mich doch ein bisschen wie in der Truemann Show. Gut, dass das nicht jede/r weiß bzw. vielleicht finde ja nur ich das ein bisschen freaky :-). Fakt ist, ich bin mit 1,67m Körpergröße die durchschnittliche Frau – die in der durchschnittlichsten Stadt wohnt. Wenn man bedenkt, dass der Durchschnitt ja nur eine „errechnete“ Größe ist, bin ich eigentlich was ganz Besonderes ;-)).

Fakt ist auch, ich kam 2012 nach Wels zurück nachdem ich 2000 zum Studium weggezogen war. UND, ich konnte meinen Augen nicht trauen, als es 12 Jahre – also fast mein halbes Leben später, immer noch keine Busverbindung an Sonntagen gab und auch nur sehr wenige Cafés ein Brunch am heiligen Tag anboten – und das in der 8.-größten Stadt Österreichs!!! Dafür hat Wels eine aufstrebende Gründerszene, die ich nun seit 8 Jahren interessiert beobachte und seit über 5 Jahren selber ein Teil davon bin.

Aber zurück ins Jahr 2000: Ich hatte die Matura erfolgreichst abgelegt, mich an der FH Kufstein beworben und war am Weg nach Australien, als ich den Brief der FH mit der vermeintlichen Zusage am Flughafen München öffnete und zu meinem Erstaunen eine Ablehnung erhielt. Im Nachhinein mehr als verständlich. Ich war ein Kind im Alter von 19, hatte super Noten und wollte etwas über die Wirtschaft lernen. Ich trug Rucksäcke und Jeans – und wurde bei den Bewerbungsgesprächen von 19-jährigen Erwachsenen überrollt, die in Blazern kamen und Aktenköffer trugen. Ich las Reiseberichte, sie lasen Wirtschaftszeitungen. In Retrospektive betrachtet, bin ich sehr froh, dass ich für meine weitere Entwicklung den nicht-verschulischten sondern teilweise kämpferischen universitären Weg einschlugen „musste“, der mir in Sachen Selbstbewusstsein und Priorisierung so viele wertvolle Lebenslektionen lehrte.


Als ich 9 (statt 5) Wochen später von Australien zurückkehrte (wer die ganze Geschichte dazu lesen möchte, einfach auf den Link klicken), hatte mir meine Mama einen Platz im Studentenwohnheim in Innsbruck direkt am Inn organisiert und mich für IWW (Internationale Wirtschaftswissenschaften) inskribiert. Ich freute mich auf einen spannenden Lebensabschnitt, über meine 1. eigene Wohnung (auf 12m2 mit 1,5m2 Bad :-)) und den Duft der Freiheit, den ich in Australien inhaltiert hatte.


2. TIROL

Innsbruck
, mit knapp über 300.000 EinwohnerInnen die 5. größte Stadt Österreichs, ist für mich bis heute die lebenswerteste Stadt unseres Landes, wenn man nicht unter dem Fön leidet. Und, wenn man Berge mag. Wenn man es liebt, dass es von November bis Jänner fast täglich strahlend blau ist, etwas, das ich als Welserin die ersten Monate fast nicht glauben konnte. November war Nebelzeit – hier war es, als ob es diese 5. Jahreszeit gar nicht existierte.


Ich navigierte anhand der mich umgebenden Bergen, wenn ich zur Uni oder anderen Orten fuhr (eine Tatsache, die mich in Wien oft zum Verzweifeln brachte, als ich wegen der vielen hohen Gebäude keine Bezugspunkt hatte und mich ständig verlief). Mein Onkel vererbte mir sein altes Waffenrad, das er in den 70er Jahren schon hier bei seinem BWL-Studium geritten hatte (für ca. 1 Woche, bis er sein Motorrad kaufte :-)). Ich liebte das 3-Gang-Steyrer Puch so sehr und fuhr bis auf einen Tag, als fast die ganze Straße einem Eislaufplatz glich, täglich durch meine neue Heimat.

Es war eine unbeschwerte Zeit, das Studium nach der HAK gerade im 1. Jahr sehr wenig fordernd. Es gab eine Bar für jeden Tag der Woche, Freitag war Ruhetag. Ich begann mit dem Wandern (meine 1. Almtour war ein von meiner Seite sehr schweigsames 1. Date :-)), die Liebe zu dem Typ wurde nicht, zu den Bergen aber umso intensiver entfacht und ich bin ihm bis heute dafür dankbar!).

In Jeans ging ich auf meine 1. Skitour und ich entwickelte mich immer mehr von der Flachländerin zu einem Berghaserl. Aber alles mit der Gemütlichkeit einer Oberösterreicherin, was dem Tiroler Gemüt aber sehr nahe kam. Bei allen Festen waren es stets die Oberösterreicher und die Tiroler, die bis zum Ende blieben (die Vorarlberger wären wahrscheinlich wohl auch dabei gewesen, aber die fuhren fast jedes Wochenende heim).

Ich tauschte das Schnapsen gegen das viel komplexer-spannendere Watten und spielte mir die Nächte um die Ohren. Wie gerne wäre ich zu dieser Zeit Croupier im zentrumsnahen Casino geworden, aber diese Tätigkeit wurde erst einige Jahre später für Frauen geöffnet!!!



Von 2000 bis 2002 und 2004 bis Mitte 2006 (dazwischen war ich auf Auslandsjahr in Australien) lebte ich in der Stadt meines Herzens, die Innsbruck für mich geworden war. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich dieses Paradies jemals verlassen würde… und schon gar nicht, um in die Weltstadt Wien zu ziehen..

ABER: so unselbständig ich damals war, eines wusste ich: ich wollte nicht im Marketing bei einer Bank oder Versicherung anfangen, wie so viele meiner Studien-KollegInnen, „denn man kann ja immer wechseln später“. Warum auch immer ich diese Eingebung hatte, dass das nicht so leicht sein würde, ich wollte von Anfang an einen Job, der mich täglich begeistert… und das war für mich im Lebensmittelmarketing. Und so kam es, dass ich einem Jobangebot nach Wien folgte, für das ich mich mit meinem Lieblingsrezept beworben hatte.

Einen Teil meines Herzens ließ ich für immer in Innsbruck zurück – und 2011 kehrte ich für knapp ein Jahr noch einmal zurück, nachdem ich meinen Job in Hamburg gekündigt hatte. Aber leider währte das Glück nur kurz, denn es ereilte mich das bereits oben beschrieben Schicksal, dass mein neuer Job in Innsbruck wieder Deutschland zum Opfer fiel… und ich meiner Liebe in die Schweiz folgen sollte.


3. WIEN

Aber zuerst ging es nach Wien, was auch ausschlaggebend war, dass ich diese Liebe überhaupt kennenlernte.

Wien, die Geburtsstadt meines Opis, eine Stadt, die ich genau 2x für ein paar Stunden besucht hatte, bevor ich meinen Lebensmittelpunkt dorthin verlegte. (Hintergrund: Die Wien-Woche wurde in der Schule wegen Sparmaßnahmen gestrichen; ich war zur Erstkommunion im Tierpark Schönbrunn und 1x in der Peripherie Wiens beim Cirque du Soleil, wo wir abends hin- und heimfuhren). Also Terra Inkognita.


Ich war neugierig auf unsere Hauptstadt und suchte mir ein WG-Zimmer, das ich im 7. Bezirk fand. Wie in den Altbauwohnungen der letzten Jahre in Innsbruck, begrüßten mich auch hier 3m hohe stuckverzierte Decken und ich fühlte mich gleich ein bisschen heimeliger.

Aber das war es auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Keine Berge zum Orientieren, kein Fahrrad zur Arbeit. Stattdessen: U-Bahn1 – Umstieg – U-Bahn2 – Umstieg – Straßenbahn/Bus – Fußmarsch. Das ganze 2x täglich ca. 27min. „Wow, so kurz“ hörte ich oft von Wienern, für die mind. 1h/Strecke Arbeitsweg normal waren. 2h Lebenszeit pro Tag, in einem Job, der ohnehin mehr als 2/3 deine Wochentags-Zeit frisst, unvorstellbar für mich!

Mein 1. Job: SEHR spannend. Ich war eine der wenigen nicht WU-StudentInnen, die sich für das Traineeship bei Unilever qualifiziert hatten, also ein bisschen Exotin. Wie in vielen Konzernen wurde eifrig danach getrachtet, dass wir uns untereinander sehr wohl fühlen, sodass wir gerne länger in der Arbeit blieben. Und es funktionierte.

Meine Arbeitstage waren lang – vor allem abends. Und ich machte den Fehler, wegen meiner Frühmorgen-Aktivität zeitig anzufangen – mit der Ironie, dass meine Chefs immer später kamen und ich nie früher weg konnte. Als ich das Spiel durchschaute, war ich morgens oft schon Joggen oder sogar am Tennisplatz, bevor ich in die Arbeit kam.

Wie konnte es sein, dass niemand abends heim wollte? Das sollte ich beim Daten erfahren, wo ich so viele Wiener ohne sportliche Hobbies kennenlernte. „Was machst du gerne“, fragte ich Typ X beim 1. Date. „Fortgehen“. „Und sonst?“ „Kino!“ „Und am Wochenende?“ „Ausschlafen und Brunchen“. Auch wenn ich das stundenlange Brunchen lieben gelernt hatte (das wir oft im Anschluss mit einer Etappe des Rundumadum-Wanderweges verbanden), vermisste ich die Tiroler Naturburschen, das Sonnenaufgangs-Berggehen vor der Arbeit und das früherFeierabendzumTourengehen, wenn das Wetter schön war.

Zum Glück lernte ich bald drauf einen Innsbruck kennen, mit dem ich mich in den zahlreichen kleinen zentrumsnahen und der kurz nach meinem Hinzug eröffneten großen neuen Kletterhalle regelmäßig und leidenschaftlich austobte.


Ich begann Wien zu mögen, das Grün der Parks, die internationalen Restaurants (mein Lieblings bis heute, das Yak & Yeti), der Schmäh auf den unzähligen Agenturfeste, die in Wien in der Kreativszene gang und gebe waren. Ich zog bei einer Arbeitskollegin im 6. Bezirk ein, der mein Grätzel wurde – nah am Naschmarkt, den ich über alles liebte.

Ich kaufte mir ein Auto, um nicht in 3-4h Bus-U-Bahn1-U-Bahn2-mitGlückeineguteZugverbindungerwischen – sondern in knapp 1 1/2 vom Wienerberg nach Wels zu düsen – und Montag 5:30 Uhr retour (wichtig: VOR 6 Uhr bei Linz vorbei!!!).

Für den 1. Job war Wien die perfekte Stadt – alle arbeiteten lang, am Abend lief der Schmäh, Wien war grüner als ich gedacht hatte und ich lernte die Weite der Welt spüren – im Job und in den Lokalen – unzählige spannende Menschen, die hierher zogen, um Karriere zu machen. Ja, hier könnte ich glücklich werden, dachte ich und begann, mich auf eine lange Zukunft in meiner 1. Firma und in Wien einzustellen.

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