Land 29/40: Kroatien

Idemo na more… der Titel meines Kroatisch-Sprachlehrbuches, das mich in wenigen Wochen durch volle 24 Kapitel katapultiert hat. VIEL zu schnell, sodass ich aus diesem Eilzug ausgestiegen bin. Dabei dachte ich immer, Kroatien ist ein entspanntes Land…


Seit ich klettere, war nach Kalymnos (Griechenland) Kroatien mein 2. Traum – wunderschöne Kletterfelsen über dem Meer, einsame Buchten, die wir mit dem Schiff anfahren würden. Das hatte ich mir immer ausgemalt. Mit einem 2 Pärchen, leben und schlafen am Boot bzw. am Strand, spektakuläre Kletterrouten über dem Meer… Die Fantasie zerschellte an der Realität: die Kletterkarriere scheiterte an der Mächtigkeit meines Jobs (und an den Eintrittspreisen für die Kletterhalle; für 1h 36,- CHF ging selbst bei Schweizer Gehalt gegen meine gesundes Preis-Leistungsverhältnis); die Beziehung ebenso (nicht nur).


Fakt ist, meine Traumwolke zog weiter, um sich erst Jahre später wieder am Horizont zu zeigen. In Form meines neuen und aktuellen Lebensparnters, der mit seinen Eltern in München aufgewachsen war, diese aber für ihren Pensionsabend das Meeresklima ihrer ehemaligen Heimat Kroatien vorzogen.


Meine 1. Kroatienreise folgte einer Hochzeitseinladung eines Cousins meines Freundes Stefan und wir statteten seinen Eltern in Crkvenica, einem charmanten kleinen Küstenort gegenüber die Insel Krk, einen Besuch ab. Der Blick vom Balkon reichte über das tiefblaue wellenverspielte Meer bis in die Unendlichkeit, der Blick nach oben Ende Oktober ins Schlaraffenland. Ich öffnete meine Lippen und eine reife pralle Feige erfüllte mein österreichischen Exportfrüchtegaumen mit einer wahren Geschmacksexplosion. Ich habe an diesem Tag so viele Feigen verzehrt, dass ich nichts anderes mehr essen konnte. So musste der Paradies-Apfel Paradies Adam und Eva verlockt haben 🙂



Von süß zu deftig wechselten wir bei der Hochzeit in Zagreb. Es wurde, wie sehr üblich in Kroatien, ein eigener Hochzeits-Hotel-Saal angemietet, der der einstellig hunderten Leute umfassenden Gästeschar Restaurant und Tanzlokal bot. Es war ein einmaliges Erlebnis für mich. Das nie zu enden scheinende Essen wurde per Tisch serviert, um auf den eigenen Teller jenes aufzuladen, was einem besonders mundete. Ich liebte dieses gemeinsame Speisen und Teilen – eine schöne Geste bei einer Hochzeit, wie ich fand. Das Tanzen dazwischen die perfekte Verdauungs-Taktik, damit auch die Berge an Desserts noch irgendwie Platz fanden… aber wie sagte ein weiser Mann „Frauen haben einen eigenen Dessert-Magen“ ;-).



Reich gestärkt ging es für mich mit einer Freundin auf eine kleine Tour de Croatia, während mein Freund noch weitere Verwandte besuchte. Mit einem Mietauto fuhren wir die Küste südwärts, um die wunderschönen, zu dieser Zeit fast menschenleeren Städte Zadar, Sibenik, Trogir und Split zu entdecken.

Mein absolutes Highlight war der Besuch des spätherbstlichen Plitvicer Nationalparks. Mein Fotografenherz sprang bei dieser eindrucksvollen Naturschönheit, den unzähligen verspielten Wasserfällen, eingebettet in die Farbpalette des goldenen Herbstes. Das Duett aus Licht und Schatten. Ich war verzaubert. UND: außer uns waren wohl gleichzeitig kaum mehr als eine Handvoll anderer Besucher in der ansonsten sehr überlaufenen Touristenattraktion. Es war, außer der für viele Besucher wohl zu kalten Nebensaison-Zeit auch zufällig ein nationaler Feiertag, sodass auch die Einheimischen zuhause blieben. Ein Glück für uns 🙂



Stefan traf ich bei der Rückkehr in Zagreb wieder, wo er mir als Fast-Einheimischer meine neue große Städteliebe vorstellte. Wie habe ich mich in Zagreb verliebt. Die alten, kleinen Häuser, die schmalen Gässchen im Kontrast zum unendlich großen Hauptplatz-Markt, der täglich über- und auch unterirdisch die köstlichsten sonnengereiften Früchte, wunderbarsten Käse, Brotsorten, Blumen und alles, was das Hausfrauenherz noch so begehrt feilbot. Am meisten fasziniert hat mich die Tatsache, dass es neben der „unteren“ auch eine „obere“ Stadt gab. Über eine Treppe (oder einen Lift) erreichbar, flaniert man unter einer Allee in der Stadt über der Stadt… ich fühlt mich wie in einer Himmelspromenade.


Ich dachte, es könnte nicht mehr schöner werden, bis ich Zagreb ca. zwei Jahre später zur Adventzeit besuchte und diese kleine Paradies mich in strahlendster Farben leuchtend empfing. Die Einheimischen plaudernd und lachend im Freien in den Hunderten Outdoor-Cafés und Restaurant mit Heizstrahlern – eine Lebendigkeit und Lebensfreude, die einfach nur anstecken konnte. Die Weihnachstmärkte zahlreich und verteilt – und die in Lichter getauchte, glitzernde, vom Weihnachtsduft erfüllte obere Stadt fühlte sich spätestens jetzt wie eine Himmelspromenade an. Zagreb und ich – wir hatten uns gefunden.



Eine weitere kroatische Stadt, die mich auch seit vielen Jahren faszinierte, war Dubrovnik. Aber wie wenig ich davon wusste. Und vor allem, dass Kroatien nicht bis nach Dubrovnik reichte, sondern ein kleiner Landstrich von Bosnien eingenommen wurde! Diese zweimalige Grenzüberschreitung und die damit verbundene Unplanbarkeit der Reisegeschwindigkeit hatte mich und meine Freundin veranlasst, unsere Küstenreise in Split zu beenden. Und ich wusste, ich würde Dubrovnik als Wochenend-Ausflug anfliegen wollen.

Uneigennützig schenkte ich meinem Partner zu seinem Geburtstag am 1. Mai ein gemeinsames Wochenende – das schon mit einer gratis Zugfahrt und Sekt im Flieger mehr als gelungen anfing. In Dubrovnik, wo wir ein privates Appartment gebucht hatten, wurden wir prompt wegen Doppelbuchung upgegradet – wortwörtlich, befand sich das doch über der Stadt gelegen – mit einem unbezahlbaren Panorama-Blick über den Hafen.


Die Stadt selbst: ein Juwel an Vergangenheit – nicht umsonst der Drehort von Game of Thrones und mit der als Weltkulturerbe deklarierten Altstadt. Und wie für viele Städte, war diese Chance auch gleichzeitig ihre größte Herausforderung. Bei knapp 40.000 Einwohnern, wurden 2018 bis Juli! 700.000 Touristen gezählt. Zu 70% 2 Kreuzfahrtschiffe parallel im Hafen anlegend, bis zu 7 täglich, mehrere Tausend gleichzeitig rausströmenden Menschen. Es sei kaum mehr möglich, sich durch die Stadt zu bewegen, ein freier Meter auf der Stadtmauer, nicht mehr zu finden, las ich in den Nachrichten. Und, diese Touristen hatten ja Vollverpflegung auf ihrem Schiff, ließen also kaum Geld dafür aber genug Müll in der pittoresquen Stadt. Es kam soweit, dass für 2019 Jahr die Anzahl an Kreuzfahrtschiffen limitiert wurden, auf 2 pro Tag!


Umso dankbarer genossen wir Anfang Mai die Stille der Vorsaison – die Luft war klar, der Blick frei und wir wanderten durch die Altstadt und auch auf den Hausberg (der lt. unserem Vermieter „viel zu steil war, um da rauf zu gehen, aber leider war die Bahn geschlossen“). Unser Österreicherherz schmunzelte und wir spazierten leichten Schrittes hinauf – um die Magie des Sonnenunterganges mit einigen per Auto angereisten Einheimischen zu teilen :-).

Wir besichtigten das vorgelagerte Inselchen Lokrum und eröffneten bei herrlichstem Sonnenschein am 2. oder 3. Mai die Badesaison um uns an den angewärmten Felsen zu trocknen. Zurück am Festland besuchten wir das ältere, aber sehr schön in den Stadtmauern angelegte Aquarium, wo die Seepferdchen für uns einen Liebestanz darboten.



Die Liebe für ein Land gehört weitergegeben und so fuhren wir spontan mit einer Gruppe an Freunden zu Bewegung und Genuss nochmal nach Crkvenica. Auch noch vor Juli, denn wie viele Küstenorte bzw. auch österreichische und schweizerische Ferienorte, die ich kenne, leiden auch in Kroatien viele Städte am Overtourismus in der Saison (in Kroatien primär die Sommersaison, die sich in den letzten Jahren schon über die Sommerferien hinauslehnt).


In absoluter Stille bewegten wir uns bei Qi Gong im Einklang mit den Wellen auf einer Plattform direkt am Meer. Wir begrüßten dieses und schoben die kaum vorhandenen Wolken. Den Genuss fanden wir am Markt, bei der Zubereitung unserer dort gekauften Fische, in lokalen Spezialitäten-Restaurants und bei einer feucht-fröhlichen Weinverkostung. Gut, dass wir unsere Stabilität so gut trainiert haben :-). Eine Schiffahrt rundete diesen, meinen letzten Besuch in Kroatien ab und mein Traum vom Segeln und Klettern taucht wieder an die Oberfläche auf. Paklenica – ein Name sanft wie die Creme der gleichnamigen Schnitte, der scharfkantige Blätterteig wie die dortigen Felsen, die auf ihre Eroberung warten. Idemo na more… bzw. lassen wir uns von diesen in das kühle Nass fallen.

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