Was ist der Vorteil eines sehr langen schmalen Balkons? Man kann SUPER Einradfahren lernen :-). So geschehen im Corona-April 2020.
Seit ich bei einer Sportausbildung 5 Minuten zwischen 2 Turn-Kästen auf einem Einrad mein Gleichgewicht gesucht habe und Lob für mein Talent einheimste!?, hab ich mir in den Kopf gesetzt, dieses auch zu verdienen und dieses wackelige Gerät zu meistern.
Ich will kein neues Hobby aufbauen – aber ich halte es für sehr wichtig, ab und an Dinge zu probieren, die komplett neu für mich sind und die etwas außerhalb meiner Komfortzone liegen. Warum? Weil es sich lebendig anfühlt, weil man dadurch im Kleinen Mut entwickelt, der sich auf andere Projekte, die größer und wichtiger sind, überträgt. Und, weil es Spaß macht, sich zu entwickeln. Einer meiner Lieblingssprüche lautet „Versuche jeden Tag etwas besser zu machen als am vorherigen“ – und danach lebe ich.
Und so war es wohl Schicksal, als ich eines Mittags vom Studio heim ging und am lokalen Wochen-Privat-Flohmarkt in der Innenstadt entlang schlenderte. Da stand es – ein rotes Einrad – und lachte mich an. Im Tausch gegen € 25,- begleitete es mich in paar Minuten später am Weg nach Hause – wer sein Rad liebt, der schiebt ;-). Eine Anekdote am Rande – da der Verkäufer so überrascht war, dass ich es für MICH kaufen wollte, bot er mir an, das Einrad zu schenken, sollte ich es schaffen, bis aus seiner Sichtweite zu fahren :-))). Da es schon am Aufsteigen scheiterte, tapste ich 5 Handabdrücke entlang des gegenüberliegenden Schaufensters, um dann dankend abzulehnen und zu versprechen, meinen 1. Ausflug zu ihm zu machen.
Und da stand es nun, fast ein Jahr und wartete auf meine Jungfernfahrt. Ein roter Corona-Geistesblitz schoss ein, als die Langeweile überhand nahm und ich holte das vergessene Zirkusutensil aus dem Keller. Was für eine Symbiose mit unserem ca. 7m langen und 1,50m breiten Balkon. Ich steige mit Hilfe des Geländers auf – und throne dann stolz auf meinem Hochsitz.
Danach versuche ich so viele Umdrehungen wie möglich ohne Anhalten, meist sind es 2-4. Am Ende des Weges drehe ich eine Piroutte mit einem Fuß am Boden und übe, mit der anderen Hand als Stütz“rad“. ODER: ich fahre rückwärts retour.
Und hier möchte ich ein paar Gedanken anschieben. Ich habe aus verschiedensten Fortbildungen über das differenzierte Lernmodell gehört. Was das bedeutet? Dass man z.B. eine Übung umso besser lernt, je verschiedenartiger die Herangehensweise ist – es dürfen und sollen Fehler gemacht werden, bis sich die Optimaltechnik, die bei jeder Person aufgrund von Statur, Talenten, Koordination, etc. unterschiedlich ist, herausbildet. Das bedeutet eine Variation z.B. in Geschwindigkeit, Sitzhöhe, Armhaltung, wenn ich beim Beispiel Einrad bleibe.
Das wirklich Spannende ist, dass ich gestern eine HörCD eines von mir 2004 bei Vera Birkenbihl Seminars anhörte und sie genau diesen Lernstil auch bei Musik-Stücken und generell auch für das Schulsystem propagierte. Vor allem dem stupiden Vokabellernen und dem x-maligem perpetummobile-artigem Wiederholen von Teilfähigkeiten steht bzw. stand sie extrem kritisch und als erfolgsverhindernd und ineffizient gegenüber.
Und so übe ich nun barfuß und mit Schuhen, schnell und langsam, mit breiten Armen und mit linker und rechter Stütze. Und ich bin am Tag 2 schon bei 10 Umdrehungen :-). Und wenn ich die Fähigkeit erlernt habe? Dann fahre ich beim Flohmarkt vorbei und vererbe ich im Anschluss das Einrad an einen meiner Neffen – und wachse an meinem nächsten Projekt.
Fazit: Einrad-Fahren ist eine tolle Fähigkeit, die das Gleichgewicht, Koordination und auch die Achtsamkeit schult. UND, Spaß und stolz macht. Es gibt z.B. auch eigene Einradvereine, in denen man gemeinsam fahren und die Leidenschaft teilen kann, sollte es sich doch zu einem liebgewonnenen Hobbie entwickeln – aber das überlasse ich den Jüngeren und wechsle als Alltagsfahrzeug wieder auf mein geliebtes 2-rädriges Oldtimer-Fahrrad :-)).