Land 17/40 Marokko

Wie sehr hat mich als Kind der Zauber von Sagen und Märchen in seinen Bann gezogen – wie bunt habe ich mir die fliegenden Stoffe von orientalischen Prinzessionen und den reichen Stuck von mondänen Palästen ausgemalt.

Geschichtenerzähler-Festivals waren für mich Tage der Reise der Gedanken – und eines Tages machte ich sehr unerwartet meinen Traum war, in das Mekka von 1001 Nacht einzutauchen – das Sinnbild dafür der Djemaa el Fna – der Hauptplatz im märchenhaften Marrakesch.


Es war 2012, das Ende meiner Bildungskarenz als ich über eine befreundete Wanderkollegin die Ausschreibung zu einer Trekkingreise zum Jbel Toubkal, dem höchsten Berg Nordafrikas – in Kombination mit einem Ausklang im lebhaft-bunten Marrakesch erhielt. Ich überlegte nicht lange, auch wenn mir der Zusatz „wird als psychologische Selbst-Erfahrung angerechnet“ etwas zu denken gab. Fakt ist, meine Bekannte war Psychologin – so wie alle meine ReisebegleiterInnen auch, wie ich feststellte als wir die Reise antraten. Was das bedeutete? Wir führten Tagebuch – an Tagen langen Gehens (teilweise schweigend) ziehen die eigenen Herausforderungen wie Wolken durch den Kopf, blitzt die Sonne durch und zeigt Lösungen auf. Träume spiegeln sich im Meer der Gedanken und diese oft am Grund versunkenen Schätze auf Papier zu bringen, war sehr wertvoll. Wir hatten ein persönliches Gespräch, tägliche Gruppen-Reflexionsrunden am Abend und einen Tag, an dem wir Verantwortung für die Gruppe trugen. Eine für mich sehr neue Erfahrung diese Art der Geistes-Arbeit, für die ich aber in diesem Kontext sehr aufgeschlossen und auch dankbar war.

Das Wandern war ein Bewegen des Körpers und der Seele, die sehr schnell aus dem Alltag hier in dem weitläufigen Atlasgebirge ankam.

Ich erinnere mich an gesellige Picknicks mit Köstlichkeiten aus 1001 Nacht, Teezeremonien und eine amüsante Einführung in das Wickelns eines Turbans. Es war eine unbeschwerte schöne Zeit. Im Vergleich zu meinem zuvorigen Nepal-Trekking war ich diesmal alleine im Zelt – und ich merkte, dass ich es manchmal unheimlich fand, waren doch fast zu jeder Zeit Camp-Wächter in Patrouille und die ungewohnten Schritte und Geräusche ließen mich alleine nicht komplett entspannt ins Reich der Träume eintreten.



Und, ich lernte hier auch eine für mich sehr schwierige Lektion über die (Nicht)-Freiheit des Menschen. Eines Tages war ich etwas zu wenig ausgelastet vom Gehen und fragte unseren Guide, da der Tag noch lange war, ob ich auf den Hügel in der Nähe unseres gerade im Aufbau befindlichen Zelt-Camps wandern dürfte. Er bestand darauf mich zu begleiten. Es entstand ein vertrautes Gespräch und ihr war verblüfft über die extrem umfassende und fundierte Ausbildung, die er genossen hatte, um Wanderführer zu werden.

Und auf einmal folgte die Frage „Kannst du mich einmal nach Österreich einladen – ich würde auch hier gerne die Berge sehen“. Und ich fragte naiv: Du kannst ja auch so kommen…. oder? Und da erfuhr ich, dass zum damaligen Zeitpunkt (ob das heute noch so ist, kann ich leider nicht sagen) – Marokkanische StaatsbürgerInnen nur mit einer Einladung ausreisen dürfen. Ich konnte es nicht glauben. Der Wüstenhimmel brach über mir zusammen. Das Europa nähste Land hatte Gesetze, die die Menschenwürde und die Reisefreiheit unterbanden – etwas, das ich bisher nur von Kuba gedacht habe zu kennen. Ich fühlte unglaubliche Traurigkeit und verstand, warum eine ehemalige Arbeitskollegin eine Scheinehe mit einem Marokkaner eingegangen war, um ihm ein neues Leben in Östereich zu ermöglichen. Den obligaten Liebesbrief erhielt ich am Tag nach unserem Wandergespräch und von da an schwor ich mir, immer „verheiratet mit Ring“ in diverse Länder zu reisen.


Wir erreichten alle erfolgreich den Gipfel und zur Belohnung wartete – kein Schnaps und auch kein weiterer Alkohol – da die Restaurants in MARRAKESCH diesen nicht verkaufen durften, zumindest ein Großteil der Lokalitäten damals – aber und das versetzte mich in einen noch größeren Rausch, der Djema el Fnaa – der Platz der Geschichtenerzähler, Gaukler, Gewürz- und Textil-Händler mit seinem Schwall an Worten, Menschen, Gerüchen und Stoffen. Wir durchstreiften die Basare an einem Halbtag und ich wünschte, bald hierher zurückzukehren.



5 Jahre später, 2017 – ich wollte meine Mama mit etwas Besonderem zum Muttertag überraschen, kam mir ein Gedanke – waren es die Gewürze meines Mittagessens oder die traumreiche vorherige Nacht, die mich inspiriert haben – ich weiß es nicht. Der Nebel meiner Gedanken lüftete sich und die Idee erschien ganz klar vor mir: 3 Tage in Marrakesch, das sollte es werden! Der Flug war günstig, ein Riad schnell gefunden und ca. eine Woche später stiegen wir in Marrekesch aus dem Flugzeug.



Die Navigation zu unserer Unterkunft, dem aus 1001Nacht entsprungenen Riad war um einiges abenteuerlicher als der Flug – gottseidank hatte ich kurz zuvor ein Offline-Maps-Programm installiert und wir schlängelten uns durch meterhohe Labyrinthe aus Wänden und als der Weg in einer Sackgasse endete und wir uns fraglos anblickten, wurde uns auf einmal die eine Pforte geöffnet. Wir befanden uns in einem Märchenpalast, in dem uns ein riesiger Innenhof mit Springbrunnen, 1001 Kerzen und deren Schatten-Tänze erwarteten. Mit einem Tee wurden wir gastfreundlich empfangen und fühlten uns sofort wie orientalische Königinnen.

Aufgrund der Hitze wickelte ich mir selbst einen Turban und wir erkundeten zu Fuß die Parallelwelt der Basare, für mich als Keramik-Liebhaberin ein Paradies.

Den Paradiesgarten fanden wir (nach fast 30minütiger Suche der Abfahrtshaltestelle – kein Schild, kein Name, nur eine Stange?!?) in dem 2016 von André Heller eröffneten Anima Garten. Als Fotografin machte ich mir eine schöne Zeit, die hier viele Formen, Farben, Lichtspiele und Materialien zusammenspielten – aber der Nachgeschmack der verdorrenden Landschaft am Weg dorthin und die hier benötigen Wassermassen, um diese Oase erblühen zu lassen, hinterließ einen weniger farbenfrohen Beigeschmack bei mir.

So richtig geschmacklos wurde es, als wir – 2 Frauen – mehrmals vom Weg zum Fotografie-Museum (dessen exakte Position ich von meinem Handy-Navi ja kannte) abgewunken wurden „no no, this is the way ladies“. Wir begannen uns, unwohl zu fühlen und beschlossen, abends das Riad nicht mehr zu verlassen – da wir bei Tag schon sehr schwer die richtigen Abzweigungen in unsere verwinkelte Gasse fanden.

Und so genossen wir das Frühstück und köstlichste Abendessen auf der Dachterasse unserer Märchenunterkunft, sanft begleitet vom Gesang der Vögel in Begleitung des sanften Schwingen der Sonnensegel.



Ich bin sehr dankbar, dass Marokko ein Teil meiner 1001-Reise-Geschichte wurde, werde aber nicht mehr in dieses Land zurückkehren und lieber von Zeit zu Zeit im farbenfrohen Zauber der Erinnerungen eintauchen. Ich schließe das unvollendete Kapitel eines Besuchs der anderen Königsstädte sowie das nie geschriebene Kletter-Abenteuer im Atlasgebirge. Und mein lang ersehnter Traum eines Wüstentrekking wird für mich in einem andere fernen Land wahr werden – wenn die Zeit dafür gekommen ist.

„Solange das Leben dauert, möge des Märchen nicht aufhören“. (Carmen Martín Gaite)

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